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Viersen: Quer stellen gegen Rechts

18. Aug 2015

An einer Kundgebung gegen das Aufmarschieren von NPD-Anhänger/innen beteiligte sich pax christi-Aachen aktiv in Viersen. Heinz Liedgens stellte bei seiner Rede die Situation der Flüchtlinge und unsere Solidarität mit ihnen heraus.

Dokumentation der Rede von Heinz Liedgens, Sprecher der Gruppe pax christi-Viersen

Liebe Viersenerinnen und Viersener,

das Treffen der NPD mit ihrer menschenverachtenden Ideologie ist für uns nur der Anlass für unser „Quer-Stellen“. Der Grund unserer Demonstration ist ein anderer. Es ist die weltweite

Flüchtlingskatastrophe, die uns auf die Straße treibt. Zu den Ursachen des Flüchtlingsdramas für die am Aufruf zur Demo beteiligte pax christi Gruppe ein paar Ausführungen. „Wer ist fremder, ihr oder ich? Der hasst, ist fremder als der gehasst wird, und die Fremdesten sind, die sich am meisten zu Hause fühlen“, so schrieb – 1948 - die Dichterin Ilse Aichinger in ihrem Roman „Die größere Hoffnung“. Sie war Jüdin und musste in der Zeit des Faschismus erleben, was Verfolgung, Flucht und Trennung von der Familie bedeuten.

Wenn Menschen in unserer Stadt ihr neues „zu Hause / ihre Heimat“ suchen, dann ist es unsere mitmenschliche Aufgabe SIE willkommen zu heißen und SIE zu unterstützen. Es ist gut, dass dies geschieht. Aber, es ist auch unsere gesellschaftliche und politische Aufgabe zu verstehen, was die Fluchtursachen sind:

  • Krieg – hat den Menschen die Heimat geraubt und ihre Häuser zerstört,
  • Armut und Hunger – treiben sie voller Verzweiflung und voller Hoffnung zu uns,
  • die Folgen des Klimawandels - haben ihre die Existenz vernichtet,
  • Gewalt und Ausgrenzung – haben ihnen keine Perspektive mehr gelassen …

Wer aus der Geschichte gelernt hat, die und der weiß, dass alle diese Fluchtursachen mit uns und unseren Lebensstilen zu tun haben. Wer das spürt, die und der stellt sich unserer gemeinsamen Verantwortung, sucht nach Verbesserungen und stellt sich ganz entschieden denen in den Weg, die angesichts unvorstellbaren menschlichen Leids, nur in der Lage sind, ein „Stopp der Asylantenflut“ zu propagieren. Vor einigen Monaten stand ich am wunderschönen Strand von Barcelona und vor mir plätscherten die Wellen des Mittelmeers. Mein Blick fiel auf einen Felsbrocken der aus dem Meer ragte. Auf ihm lag eine Rose. Mein Blick ging zum Horizont des weiten Mittelmeeres und meine Gedanken zu den überfüllten Booten und den Menschen, die voller Hoffnung auf eine besser Zukunft auf den Wellen

trieben. Warum? Weil Krieg, Armut und Klimawandel Menschen zur Flucht zwingen!

„Das Boot ist voll“ - war ein Bild, das von Rechts in der Flüchtlingsdebatte des vergangenen

Jahrzehnts benutzt wurde. Jetzt wird der Ton der rechten Szene noch brutaler. Asylantenflut

stoppen“. Durch diese Wortwahl werden Menschen zu Wassermassen degradiert, ihr Schicksal interessiert überhaupt nicht. Dabei wissen wir doch alle und der demografische Wandel belegt es: Nicht „unser“ Boot ist voll - sondern die Boote der Verzweifelten sind überfüllt.

  • Die Menschen brauchen Rettung, nicht Abwehr.
  • Sie brauchen unser Verstehen, nicht unsere Vorurteile.
  • Sie benötigen unsere Zuwendung, nicht unsere Ablehnung.
  • Sie suchen unser zu hören, nicht unser besser wissen.
  • Sie brauchen unser Herzen und unsere Hände, denn ihr Schicksal und ihr Erleben hat sie
  • oft traumatisiert – das heißt: hat ihre Seele verletzt, ihr Leben verwundet und ihre
  • Hoffnungen erschüttert.

Ich wünsche denen, die einige Meter von hier unter unsäglichen Überschriften ihre Vorurteile demonstrieren, dass sie eines Tages verstehen, warum wir uns gegen ihre Meinung „quer-stellen“. Wir wollen, dass unsere Stadt eine offene Stadt ist und jeden Tag etwas bunter, vielfältiger und offener wird.

Wir haben aus unserer Geschichte gelernt, dass Gleichgültigkeit dem Schicksal anderer gegenüber, das Schlimmste ist, was Menschen einander antun können.

  • Gleichgültigkeit verletzt!
  • Gleichgültigkeit sagt: DU bist mir egal!
  • Gleichgültigkeit kann töten!

Darum zeigen wir mit unserer Demonstration heute: Niemand ist uns egal! Kein Schicksal lässt uns gleichgültig! Dann ist aber unsere Demonstration auch eine Verpflichtung, eine Selbstverpflichtung, den Satz von Ilse Aichinger zu bedenken – nicht zu hassen und uns nie zu sehr zu Hause zu fühlen!

Die Dichterin hat – auf Grund Ihrer Erfahrungen im deutschen Faschismus auch formuliert:

»Man überlebt nicht alles, was man überlebt.« Ein nachdenklicher Satz, der uns vielleicht einen kleinen Moment des Gedenkens und Schweigens abverlangt, besonders denen gewidmet, die es auf ihrer Flucht zwar bis zu uns geschafft haben, aber durch Hass, Gleichgültigkeit und rechten Terror in unserem Land nicht überleben konnten. …

… ...

Vergessen wir sie nicht! Vergessen wir das nicht! Ich danke Ihnen.

Es gilt das gesprochene Wort, Viersen, den 15. August 2015

Heinz Liedgens, Viersen,

Sprecher pax-christi Gruppe Viersen und Vorsitzender Forum Ziviler Friedensdienst